Der dritte Tübinger Poetik-Dozent heißt Tankred Dorst . Das multimediale Lebenswerk des 70-jährigen umfaßt Theater, Film und Fernsehen. Dabei erfüllt er in besonderer Weise die Akzentsetzung der Tübinger Poetik-Dozentur: Internationale Autoren und Autorinnen zu präsentieren, die mit ihren Mitteln gegen alle '-ismen' arbeiten. Der Komparatist Prof. Dr. Jürgen Wertheimer, Mitglied des Auswahlgremiums, hebt die "vielen Facetten" des Literaten hervor. Besonders beeindruckt habe das Gremium Dorsts Büchner-Preisrede von 1990, die auf eine hohe reflexive Qualität auch in den Tübinger Vorträgen hoffen läßt.
Dorst spielt eine zentrale Rolle bei der Neukonzeption des politischen Theaters im Anschluß an Brecht. Bis heute ist er gemeinsam mit seiner langjährigen Lebensgefährtin und Mitautorin Ursula Ehler aktiv in der Entdeckung und Förderung junger Theatergruppen aus ganz Europa.
Am Anfang von Dorsts Autorenlaufbahn stand Mitte der 50er Jahre die Arbeit am Marionettentheater, dessen Form er später auch theoretisch erörterte. Das Szenenstöck 'Toller' (1968) zählt zu seinen bekanntesten politischen Theaterarbeiten. Darin interpretiert Dorst das Scheitern der Münchner Räterepublik und des politisch arrivierten Autors Ernst Toller. Das Problem der Spannung zwischen Individuum und Gesellschaft bildet auch den Kern von Dorsts Zusammenarbeit mit dem Regisseur Peter Zadek, mit dem er über das Theater hinaus zum Film gelangte.
Zu Beginn der 80er Jahre weitete Dorst sein literarisches Interesse auf die Mythenbearbeitung aus: In 'Merlin oder Das wüste Land' (1981) behandelt er die Gefahren und Gefährdungen von Utopien am mittelalterlichen Artus-Stoff. Seither beschäftigt ihn die Stellung des Individuums in Geschichte, Mythos und Märchen weiter, so etwa in dem 'Eisenhans'-Film (1983) und den Stücken 'Ich, Feuerbach' (1986) und 'Korbes' (1988).
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Tankred Dorst und Ursula Ehler werden im Januar und Februar 1997 in Tübingen zu hören und zu sehen sein.
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